Ein Freund, ein guter Freund
Die letzte Woche war ich nostalgisch. Immerhin feiert meine alte Schule 100jähriges Jubiläum. Letzte Woche war es auch, dass ich wieder sehr intensiv an meine Deutschlehrer denken musste. Und besonders an ein ganz bestimmtes Buch. Das kam so:
Ich wohne ja in dieser Blockwohnung, die eine kleine Küche, ein Bad, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer hat. Letzteres ist der Raum, in dem ich immer bin, wenn ich nicht gerade schlafe, Essen mache oder auf die Toilette muss. Ok, und wenn ich dusche, dann bin ich auch nicht dort.
Jedenfalls hat das Wohnzimmer nur einen einzigen großen runden Tisch, der ziemlich wackelt. Auch jetzt, wo ich diesen Text schreibe.
Ich hasse es, den ganzen Tag an der gleichen Stelle zu sitzen außer, wenn ich auf der Toilette bin usw.
Deshalb suche ich mir gern ein Plätzchen, an dem ich z.B. Essen kann. Direkt neben dem Fenster hier steht ein Sessel und davor so ein kleines Beistelltischchen. Eigentlich ist das gar kein Tisch, sondern irgend ein Beistellmöbelstück ohne Namen. Da habe ich mir angewöhnt zu frühstücken und meine Butterbrote oder Tütensuppen zu essen. Direkt unter dem Fenster.
Letzte Woche nun telefonierte ich gerade mit jemand Wichtigem, vom Arbeitsministerium. Während ich zuhörte - denn wenn man mit wichtigen Menschen von MInisterien spricht, dann hört man die meiste Zeit zu, selbst wenn man selbst wegen irgendeiner Sache angerufen hat - bemerkte ich plötzlich, dass genau dort, wo ich immer meine wohlverdienten Mahlzeiten einnehme, ein riesengroßes Tier auf dem Rücken lag und mit den Beinen strampelte. Ich habe nicht gemessen, aber ich kann beschwören, dass es mindestens 10 Zentimeter groß war.
Ich habe nicht groß nachgedacht - schließlich war ich im Gespräch mit jemand Wichtigem vom Arbeitsministerium -, sondern eine große leere Plastikflasche genommen und damit dem Monsterinsekt mehrfach auf den Kopf gehauen. Das machte natürlich ziemlichen Lärm, da ich hier Parkettboden habe, aber mein wichtiger Gesprächspartner vom Arbeitsministerium merkte offenbar nichts.
Das Ungeheuer wackelte noch eine Zeitlang mit den Antennen, doch ungefähr nach dem zwölften Schlag auf den Kopf war nicht mehr viel übrig als eben diese Antennen und eine breitflächige gelbe Masse.
Als das Telefonat beendet war passierten zwei Dinge mit mir:
Ein schreckliches Grausen überkam mich, die Beine zitterten und die Nackenhaare standen zu Berge. Gleichzeitig dachte ich: Kafka!
Wie im Zeitraffer flogen Eindrücke durch mein Hirn: Das gelbe Reclamheft mit dem Text, der unbarmherzige Deutschlehrer in der sechsten Klasse, eine Inszenierung der "Verwandlung" in Paris mit Roman Polanski in der Hauptrolle.
Und immer wieder der Gedanke: Womöglich konnte es sprechen...
Ich war davon überzeugt, das war der Anfang vom Ende. Wenn ich vom Einkauf kam, rechnete ich immer damit, dass mir die Tür von innen aufgemacht wird. Freunden kündigte ich an, dass womöglich demnächst jemand anderes Telefonate entgegennehmen wird.
Aber nichts geschah.
Ich kam zu dem Ergebnis, dass dieses Ungeheuer wahrscheinlich aus dem Schnabel eines vorbeifliegenden Vogels direkt in mein Wohnzimmer geflüchtet war (was ihm nicht viel geholfen hat). Schließlich wohne ich in der fünften Etage!
Ein paar Tage später kam ich von einer Verabredung abends nach Hause und stellte vor der Haustür fest, dass die Treppen nur so wimmelten von Hunderten dieser Untiere. Allerdings waren nicht alle so groß wie mein Besucher.
Ich bin schnell in meine Wohnung gegangen und habe alle Fenster geschlossen. Schließlich war ich mir nicht sicher, ob sie nicht womöglich von außen an der Fassade hochklettern und ins erste offene Fenster steigen. Das sollte dann natürlich nicht meines sein!
Als ich am folgenden Tag Besuch von einem Postkurier bekam - sonst besucht mich hier niemand, von dem Insekt einmal abgesehen, aber das zählt vielleicht nicht -, fragte ich ihn, ob er sich mit Kakerlaken auskenne. Er guckte erst irritiert und beantwortete dann meine Frage. Nein, sie würden nicht die Fassade hinaufklettern. Allerdings kommen sie auf andern Wegen, z.B. durchs Treppenhaus.
Ein schwacher Trost, wenn man den Spalt unter meiner Wohnungstür kennt.
Vorhin bin ich nach Hause gekommen und habe wieder das lustige Treiben auf den Treppen vor dem Hauseingang bewundert.
Als ich mich näherte, ist einer der größeren Kollegas ganz ruhig geblieben. Er hat hin und wieder ein wenig mit den Antennen gezittert, sich aber nicht gerührt. Das Rotlicht meines Foto-Apparats schien ihm zu gefallen. Der Blitz hat ihn nicht gestört.
Ich hoffe nur, er hat unsere kleine Fotositzung nicht als Einladung zum gemeinsamen Tee verstanden.
Das Epilieren hat man Gregor Samsa aber offenbar nicht in die Wiege gelegt.
Ich wohne ja in dieser Blockwohnung, die eine kleine Küche, ein Bad, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer hat. Letzteres ist der Raum, in dem ich immer bin, wenn ich nicht gerade schlafe, Essen mache oder auf die Toilette muss. Ok, und wenn ich dusche, dann bin ich auch nicht dort.
Jedenfalls hat das Wohnzimmer nur einen einzigen großen runden Tisch, der ziemlich wackelt. Auch jetzt, wo ich diesen Text schreibe.
Ich hasse es, den ganzen Tag an der gleichen Stelle zu sitzen außer, wenn ich auf der Toilette bin usw.
Deshalb suche ich mir gern ein Plätzchen, an dem ich z.B. Essen kann. Direkt neben dem Fenster hier steht ein Sessel und davor so ein kleines Beistelltischchen. Eigentlich ist das gar kein Tisch, sondern irgend ein Beistellmöbelstück ohne Namen. Da habe ich mir angewöhnt zu frühstücken und meine Butterbrote oder Tütensuppen zu essen. Direkt unter dem Fenster.
Letzte Woche nun telefonierte ich gerade mit jemand Wichtigem, vom Arbeitsministerium. Während ich zuhörte - denn wenn man mit wichtigen Menschen von MInisterien spricht, dann hört man die meiste Zeit zu, selbst wenn man selbst wegen irgendeiner Sache angerufen hat - bemerkte ich plötzlich, dass genau dort, wo ich immer meine wohlverdienten Mahlzeiten einnehme, ein riesengroßes Tier auf dem Rücken lag und mit den Beinen strampelte. Ich habe nicht gemessen, aber ich kann beschwören, dass es mindestens 10 Zentimeter groß war.
Ich habe nicht groß nachgedacht - schließlich war ich im Gespräch mit jemand Wichtigem vom Arbeitsministerium -, sondern eine große leere Plastikflasche genommen und damit dem Monsterinsekt mehrfach auf den Kopf gehauen. Das machte natürlich ziemlichen Lärm, da ich hier Parkettboden habe, aber mein wichtiger Gesprächspartner vom Arbeitsministerium merkte offenbar nichts.
Das Ungeheuer wackelte noch eine Zeitlang mit den Antennen, doch ungefähr nach dem zwölften Schlag auf den Kopf war nicht mehr viel übrig als eben diese Antennen und eine breitflächige gelbe Masse.
Als das Telefonat beendet war passierten zwei Dinge mit mir:
Ein schreckliches Grausen überkam mich, die Beine zitterten und die Nackenhaare standen zu Berge. Gleichzeitig dachte ich: Kafka!
Wie im Zeitraffer flogen Eindrücke durch mein Hirn: Das gelbe Reclamheft mit dem Text, der unbarmherzige Deutschlehrer in der sechsten Klasse, eine Inszenierung der "Verwandlung" in Paris mit Roman Polanski in der Hauptrolle.
Und immer wieder der Gedanke: Womöglich konnte es sprechen...
Ich war davon überzeugt, das war der Anfang vom Ende. Wenn ich vom Einkauf kam, rechnete ich immer damit, dass mir die Tür von innen aufgemacht wird. Freunden kündigte ich an, dass womöglich demnächst jemand anderes Telefonate entgegennehmen wird.
Aber nichts geschah.
Ich kam zu dem Ergebnis, dass dieses Ungeheuer wahrscheinlich aus dem Schnabel eines vorbeifliegenden Vogels direkt in mein Wohnzimmer geflüchtet war (was ihm nicht viel geholfen hat). Schließlich wohne ich in der fünften Etage!
Ein paar Tage später kam ich von einer Verabredung abends nach Hause und stellte vor der Haustür fest, dass die Treppen nur so wimmelten von Hunderten dieser Untiere. Allerdings waren nicht alle so groß wie mein Besucher.
Ich bin schnell in meine Wohnung gegangen und habe alle Fenster geschlossen. Schließlich war ich mir nicht sicher, ob sie nicht womöglich von außen an der Fassade hochklettern und ins erste offene Fenster steigen. Das sollte dann natürlich nicht meines sein!
Als ich am folgenden Tag Besuch von einem Postkurier bekam - sonst besucht mich hier niemand, von dem Insekt einmal abgesehen, aber das zählt vielleicht nicht -, fragte ich ihn, ob er sich mit Kakerlaken auskenne. Er guckte erst irritiert und beantwortete dann meine Frage. Nein, sie würden nicht die Fassade hinaufklettern. Allerdings kommen sie auf andern Wegen, z.B. durchs Treppenhaus.
Ein schwacher Trost, wenn man den Spalt unter meiner Wohnungstür kennt.
Vorhin bin ich nach Hause gekommen und habe wieder das lustige Treiben auf den Treppen vor dem Hauseingang bewundert.
Als ich mich näherte, ist einer der größeren Kollegas ganz ruhig geblieben. Er hat hin und wieder ein wenig mit den Antennen gezittert, sich aber nicht gerührt. Das Rotlicht meines Foto-Apparats schien ihm zu gefallen. Der Blitz hat ihn nicht gestört.
Ich hoffe nur, er hat unsere kleine Fotositzung nicht als Einladung zum gemeinsamen Tee verstanden.
Das Epilieren hat man Gregor Samsa aber offenbar nicht in die Wiege gelegt.
Ambulito - 31. Mai, 00:27
ES
Und, es wurde an Wanner Gymnasien ("Wir waren so arm, unsere Schule konnte sich noch nicht einmal einen richtigen Namen leisten.") tatsächlich schon in der Quinta 'Die Verwandlung' gelesen?
Außerdem, ich kann Sie auf dem Klassenfoto gar nicht entdecken...
He, he, he (könnte fast englisch sein, ist es aber nicht!)
Zu dem Schulnamen: Es gab/gibt zwei Gymnasien in Wanne-Eickel, eines ist das Gymnasium Wanne und das andere.... na? Das Gymnasium Eickel. Interessanterweise nannte man sie aber noch beim alten Namen: Mädchen- bzw. Jungengymnasium. Ich war natürlich auf dem Erstgenannten. Auf dem Jungengymnasium waren angeblich alle Lehrer, die in geschlechtergetrennten Zeiten bei uns gearbeitet und Mädchen unsittlich angefasst hatten.
Und in der sechsten Klasse (Quinta sagten wir nicht, mit Latein ging es erst in der Siebten los!) haben wir wirklich Kafka gelesen. Knapp 10 Jahre später habe ich ihn aber erst schätzen gelernt!