Dienstag, 8. Mai 2007

Schlafzimmer

Eine Erfahrung, die ich meinen ärgsten Feinden nicht wünsche, habe ich kürzlich gemacht. Ich sprech nicht von Dingen, die man erlebt und wieder vergisst. Auch nicht solche, die nette Anekdoten sind, mehr aber nicht.

Nein, ich mein eine Erfahrung, die das Leben verändert. Eine, nach der auf einmal alles anders ist. Wirklich anders. In meinem Fall kann man eigentlich gar nicht von Erfahrung sprechen, eher von Wahrnehmung. Eine neue Wahrnehmung, die alles in anderem Licht erscheinen lässt.

Neulich habe ich nämlich eine seltsame Beobachtung gemacht: In meinem Schlafzimmer riecht es nach altem Mann!
Gar nicht so einfach, das so zu sagen. Vor allem, da ich anfangs überhaupt nicht wusste, was da so auffällig ist in diesem Zimmer. Ich wohn' ja erst seit kurzem hier, und da sind fremde Gerüche ganz normal. Das hier schien mir aber gar nicht normal. Erst dachte ich, es liegt an irgendwelcher Wäsche, die im Schrank liegt. So habe ich den ganzen Tag gelüftet. Es ging aber nicht weg.

Schließlich habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen, und einmal unter das Bett geguckt. Da war aber nichts.

Unterm Bett

Viel mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Ich habe kurz danach mal - eher zufällig - in den Spiegel geschaut.

Unbegreiflich

Diese Stadt ist bekannt für die Unfreundlichkeit ihrer Bewohner. Der Name ist synonym für arrogante, abweisende, zickige und auch sonst nicht sehr sympathische Personen. Und doch gibt es manchmal Augenblicke, die einen fassungslos Zeit und Raum vergessen lassen.
So wie gerade:
Nachdem ich ja gestern das Haus nicht verlassen hatte, mussten heute mal wieder die Milch-, Wasser- und Käsevorräte aufgefüllt werden. Ich mir also die Schuhe angezogen, den Schlüssel und das Portemonnaie ein- und eine kleine Handvoll Brisk aufgepackt und dann raus aus der Wohnung, die Mülltüte ins „elende Dreckloch“ – so nenn’ ich die obskure Öffnung neben dem Lift jetzt – geworfen, dabei etwas Feuchtes, Glitschiges berührt, und eine neue Lebensfreude entdeckt: Das Hineinwerfen von Glasflaschen ins Loch. Vorher hatte ich die Hinweise außen an der Tür gelesen – ob drinnen auch etwas steht weiß ich nicht, da es so finster ist -, da stand, dass man keine Plastikflaschen und große Gegenstände sowie verschlossene Mülltüten hineinwerfen darf. Von Glasflaschen – Weinflasche in diesem Fall, ok, es waren zwei – stand da nichts. Und das Geräusch ist wirklich toll. Man hört den ganzen Weg von der fünften Etage bis ins Erdgeschoss oder noch tiefer (was ich wiederum nicht wissen möchte). Demnächst werde ich bei dieser Gelegenheit mal bis ins Achte hinaufsteigen.
Eines noch zu diesem grusligen Thema: Bei einem Gespräch mit hiesigen Bekannten habe ich die Frage in den Raum geworfen, ob dieses Müllloch wohl auch das eine oder andere Mal bei ungewollten Schwangerschaften missbraucht worden sei. Die Antwort war nicht sehr beruhigend. Jetzt weiß ich aber, warum die Öffnung so klein ist. Da passt nämlich kein Kopf durch ...

Das war ein unbeabsichtigter Synapsensprung, zurück zum eigentlichen Thema.
Ich war auf dem Weg zum Einkauf in den finsteren Supermarkt schräg gegenüber. Er ist eng und irgendwie unheimlich, obwohl dort Licht brennt und Menschen sind. Alle Angestellten aber im besten Fall mit Pokerface, die meisten schlimmer. Wie damals im Intershop, wo die Bedienung mit keiner Wimper zuckte, wenn man etwas bestellte und genau so reglos das Getränk über die Bar schob.
Hier aber geschieht das Unfassbare. Man steht an der Kasse, stellt seinen Warenkorb auf das niemals bewegliche Fließband, die Kassiererin holt die Artikel heraus, tippt den Preis in die Kasse, verlangt das Geld, und während man den Betrag aus dem Portemonnaie kramt, beginnt sie, die Artikel in bereitliegende Plastiktüten zu packen. Sie verzieht dabei keine Miene, tut nicht freundlich, ist es noch nicht einmal, packt aber die Waren in Tüten. Die ganze Zeit habe ich den Mann hinter irgendeinem Regal gesucht, der die Pistole auf sie gerichtet hält. Eine andere Erklärung gibt es einfach nicht.
Das Umwerfende war aber, dass sie mir genau drei Tüten gepackt hat: Eine mit Lebensmitteln, eine mit Hygiene-, Putzartikel und die dritte mit den Getränken. Da glaubt man plötzlich wieder an den lieben Gott.

Einkaufstüten

Haarpflege

Mittlerweile lebt man in diesem Land ganz gut. Es gab vor einigen Jahren mal eine kurze Erdnussbutterknappheit, doch mittlerweile ist die überwunden und das wertvolle Lebensmittel problemlos in ausgewählten Geschäften zu finden. Auch sonst kann ich eigentlich nicht klagen.
Obwohl... etwas gibt es, dass es bisher hier noch nicht gibt. Das ist auch der Grund, weshalb ich auf regelmäßige Pakete aus dem Westen angewiesen bin. Leider habe ich noch kein ausreichend großes Gepäckstück entdeckt, mit dem ich mich einmal pro Jahr – so oft war ich in der letzten Zeit im Westen – für 12 Monate eindecken könnte.
Gestern ist es mir aufgefallen, gestern nämlich war ein Tag, an dem ich aus einem ganz bestimmten Grund glücklich war.
Ich war nämlich nicht draußen, sondern habe den lieben langen Tag bei schönem Wetter zu Hause am Computer gesessen und gearbeitet. Abends dann, als meine Hand durch die Haare fuhr, fiel es mir auf: Heute hast du gespart!
Denn heute hast du gar kein Brisk benutzt.
Jetzt ist es raus. Entgegen herkömmlichen Vorurteilen sind auch wir Männer gelegentlich darum bemüht, unser Äußeres mit diversen Hilfsmitteln in eine andere Form zu bringen.
Bei mir ist es Brisk. For Men. Ein anderes gibt es ja gar nicht. Seit vielen Jahren benutze ich es, nachdem ich die verschiedenen 80er- und 90er-Jahre-Frisuren in den 80er und 90er Jahren durchprobiert hatte (über die Ergebnisse legen wir die überdimensionierte Steppdecke des Schweigens). Wie ich drauf gekommen bin, weiß ich gar nicht mehr. Ich war mal Frisiermodell in meiner Sturm- und Drangzeit (wo dann halbblinde Friseurlehrlinge mit zitternden Fingern und der Schere in der Hand fragten: „Und wie mach ich das hier am Ohr?“ – Allerdings war das garnichts gegen die Erfahrungen, die ich ein paar Jahre später als Patient bei der Studentenbehandlung in einer Universitätszahnklinik gemacht habe), vielleicht ist es da „klebengeblieben“.
Mein Opa hat es auch benutzt, der Exboxer und Bergmann mit polnisch klingendem Nachnamen mitten aus dem Ruhrgebiet, vielleicht habe ich es von ihm. Er war mein Lieblingsopa, auch wenn ich keinen anderen hatte.
Jeden Morgen braucht man eine Handvoll von dieser Creme, das macht pro Woche eine Tube. Nach spätestens drei Tagen empfiehlt sich dringend eine Kopfwäsche, sonst wird es komisch. Apropos komisch: Was passiert, wenn man die Gebrauchsanweisung dieses klassischen Produktes nicht beachtet, kann man sehr schön hier nachlesen.

Ich jedenfalls habe mir nun angewöhnt - auch weil es in diesem schönen Land kein Brisk gibt - bei Tagen im Hause auf diese Zierde des Manneshauptes zu verzichten. So wie gestern. War ein schöner Tag.
Brisk.For Men

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